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7
Jan
2019

Bildung, die wir uns nicht eingebildet haben.

Beinah zum Dreijahrestag der ersten Pressekonferenz zum Ausbildungsniveau geflüchteter Menschen gab es wieder einmal unnötige Aufregung zu diesem Thema.

Die Tageszeitung die Presse berichtete auf der Titelseite ihrer heutigen Ausgabe davon, dass eine Sonderauswertung des AMS belege, dass die nach Österreich geflüchteten Menschen bei weitem nicht so gut ausbildet seien, wie einst vom AMS behauptet. Der Bericht löste viele Nachfragen beim AMS aus und wurde auch von zahlreichen anderen Medien übernommen, so etwa von der Krone: AMS korrigiert sich: Migranten sind weniger gebildet als behauptet

Die Berichterstattung der Presse bezieht sich dabei auf folgende vom AMS seit Jahren immer zum Monatsanfang erstellte Übersicht zur Ausbildung der beim AMS vorgemerkten, geflüchteten Personen:

Screenshot aus dem AMS Bericht zur Ausbildung der beim AMS vorgemerkten, geflüchteten Personen

Obige Tabelle zeigt etwa, dass unter den 13.370 beim AMS vorgemerkten, geflüchteten Personen aus Syrien bei 1.687 eine abgeschlossene, akademische Ausbildung im jeweiligen AMS Datensatz vermerkt ist. Es entspricht dies 12,6%.

Im heutigen Artikel der Presse wird dieser Wert mit jenen Ergebnissen verglichen, die ich im Rahmen jener Pressekonferenz im Jänner 2016 im AMS präsentierte, die mit Abstand das meiste Medieninteresse in der Geschichte des AMS auslöste. Wir hatten damals die ersten Ergebnisse von fast 900 Personen vorliegen, die unsere Kompetenzchecks absolviert hatten. In der Folge gab es viele Zweifel an unseren Ergebnissen, das Team Stronach bezeichnete mich als rücktrittsreif, die Presse zweifelte die Ergebnisse auch schon damals deutlich an.

In der heutigen Presse heißt es nach diesem Vergleich: “Viele Syrer sind nicht so gut ausbildet wie einst angenommen.” In der Folge nimmt der Autor nach weiteren Daten zu den geflüchteten Menschen aus dem Irak auch eine politische Einordnung der Ergebnisse aus seiner Sicht vor:

“Die verschiedenen Erhebungen über den Bildungsstand der Flüchtlinge zeigen, wie sehr sich der Zugang in den vergangenen drei Jahren zu diesem Thema geändert hat. Im Jänner 2016 war Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) im Amt. Für das AMS war Sozialminister Hundstorfer (SPÖ) verantwortlich. Zwar gab es Stimmen, die Zweifel an der damaligen AMS-Erhebung äußerten, aber diese gingen unter.”

Der Autor des Presseartikels hat aber offenbar den unter der Tabelle deutlich sichtbaren Hinweistext nicht gelesen oder diesen absichtlich ignoriert. Darinnen wird — bei Interesse oben nachlesbar — nämlich mehrfach darauf hingewiesen, dass aufgrund mehrerer genannten Gründe, die Qualifikationen von geflüchteten Personen in den AMS Daten noch untererfasst sind.

Der wesentlichste Grund dafür liegt in der Sprachbarriere. Wenn ein geflüchteter Mensch zum AMS kommt und nur “Technik” sagen kann, dann kann damit alles von einem technischen Interesse bis zu einem Studienabschluss gemeint sein. Außerdem gibt es noch die Regel, dass in allen reglementierten Berufen (zB Gesundheitsberufen) die jeweilige Ausbildung erst nach Nostrifikation erfasst werden darf, weil diese bis dahin eben nicht eingesetzt werden darf. Wegen der Sprachbarriere und der Unterschiedlichkeit der Ausbildungssysteme hat das AMS die Kompetenzchecks, die in der jeweiligen Muttersprache durchgeführt werden, bereits 2015 erfunden. Nur konnten wir bisher — auch aus Budgetgründen und das wird 2019 nicht besser- bei weitem nicht alle arbeitslos gemeldeten, geflüchteten Personen mithilfe der Kompetenzchecks testen. Bitte vergessen Sie nicht, noch immer melden sich Monat für Monat zwischen 600 und 1.000 Geflüchtete nach dem Abschluss ihres Asylverfahrens erstmals beim AMS.

Leider fand sich im Presse Artikel weder ein Hinweis auf die Untererfassung der Qualifikation der geflüchteten Personen noch gab es eine Rückfrage des Autors zur Interpretation der Ergebnisse bei uns im AMS.

Wie hoch die mitgebrachte Qualifikation der beim AMS aktuell oder seit 2015 vorgemerkten, geflüchteten Personen ist, wissen wir also nur für jene Personen relativ sicher, die unsere Kompetenzchecks durchlaufen haben. Das sind aber mittlerweile schon recht viele, rund 15.000 Personen. Zahlreiche von diesen haben mittlerweile auch schon Arbeit gefunden, wie die Presse in ihrem morgigen Artikel schreibt, der dankenswerterweise nun auch unsere Stellungnahme enthält. Im Folgenden die deutlichen Unterschiede zwischen Menschen aus Syrien bzw. Afghanistan in zwei Grafiken:

Ergebnisse Kompetenzchecks Syrien

Ergebnisse Kompetenzchecks Afghanistan

Abschließend: Wie schon in meiner Stellungnahme zur Kritik an unseren Kompetenzchecks am 13.1.2016 beschrieben, ist der Kompetenzcheck “keine Studie, die primär statistische Sorgfalt verlangt, sondern ein Projekt zur beruflichen Integration Asylberechtigter, in dem die Kompetenzen und Qualifikationen der Teilnehmer/innen zum Zweck einer allfälligen Qualifizierung und anschließenden Jobvermittlung erhoben wurden.”

Trotzdem ist die Validität unserer Ergebnisse mittlerweile mehrfach durch wissenschaftliche Studien bestätigt worden.

Die Wissenschafterin Dr. Judith Kohlenberger vom Institut für Sozialpolitik der WU hat mich heute dankenswerterweise auf eine Publikation der Akademie der Wissenschaften mit dem Titel “Migration und Integration Fakten oder Mythen?“ hingewiesen, in der man folgende Übersicht über alle bisher erschienen Studien zu dem Thema findet, die die AMS Ergebnisse von der Größenordnung her bestätigen. Abschließend sei noch Judiths Kohlenbergers heutiger Twitter Thread zu diesem Thema wärmstens empfohlen.

Sammelband Migration und Integration: Fakten oder Mythen?, Seite 129

Sammelband Migration und Integration: Fakten oder Mythen?, Seite 130

PS: Headerbild: (c) AMS/Fotostudio B&G